München, 21.06.2023 – Im Rahmen der LVkE-internen Onlinereihe zur SGB VIII Reform wurde am heutigen Tag ein besonders sensibler und komplexer Themenkomplex behandelt: Kinderschutz und Gefährdungseinschätzung.
Wie brisant das Thema ist, zeigt sich schon an folgender Zahl: So haben deutsche Jugendämter im Jahre 2020, nach Angaben des Statistischen Bundesamtes, ca. 195.000 Gefährdungseinschätzungen vorgenommen – das macht rund 534 pro Tag!
Somit gehören Kinderschutz und Gefährdungseinschätzungen zu den größten und wichtigsten Herausforderungen der Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe bzw. ihrer Kooperationspartner:innen. Jedoch ist dieses verantwortungsvolle Thema noch stark von Unsicherheiten geprägt, vor allem hinsichtlich Datenschutz und Verfahrenswegen. Daher ist es von höchster Bedeutung, durch Konzepte und Leitfäden Handlungssicherheit zu schaffen! Umso mehr freut sich daher der Landesverband, dass er für seine Veranstaltung mit dem Titel „KJSGReform und Kinderschutz – Must haves in der Gefährdungseinschätzung“ eine Koryphäe auf diesem Gebiet als Referenten gewinnen konnte: Nämlich Prof. Dr. Christof Radewagen, Dozent an der Hochschule Osnabrück, Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften und zugleich Leiter des Kinderschutz-Kompetenzzentrums der Science to Business GmbH – Hochschule Osnabrück.
Prof. Dr. Radewagen, der sich u.a. bereits im Rahmen der Lüdge-Kommission große Verdienste um den Kinderschutz erworben hat, betonte in seinem Vortrag die Wichtigkeit einer fundierten Situationsanalyse durch theoriegeleitetes Beobachten und Fallverstehen, in Verbindung mit methodisch abgesichertem Handeln. Wichtige „Must haves“ seien ferner Handeln auf Augenhöhe mit den Betroffenen und eine hohe, auf Vertrauen basierende Beziehungsqualität. Um diese Punkte ausreichend in die Handlungsebene miteinfließen lassen zu können, sind laut Prof. Dr. Radewagen fundierte Aus- und Weiterbildung der Fachkräfte sowie die Implementierung und Weiterentwicklung klarer und nachvollziehbarer Qualitätsstandards bei Trägern und Einrichtungen unerlässlich.
Um die Akteure der Kinder- und Jugendhilfe hier bestmöglich zu unterstützen, hat der Experte eine inklusive Kindeswohlmatrix entwickelt. Diese war zentrales Element der Ergebnisse aus der besagten Lüdge-Kommission und soll helfen, strukturelle Fehler zukünftig zu minimieren. Das noch junge Konzept der Kindeswohlmatrix fungiert laut Prof. Dr. Radewagen „wie eine Art Schablone, die sich über einen Fall legen lässt.“ Zudem berücksichtige sie auch die Schutzbedürfnisse von Kindern mit Beeinträchtigung oder Behinderung. Die Matrix bilde die Situation des Minderjährigen umfassend und aussagekräftig ab, da sie verschiedene Dimensionen und Perspektiven in eine klare Struktur einfasst und für alle Beteiligten transparent abbildet. Hieraus lasse sich eine tragfähige Prognose für das Gefährdungsrisiko bilden.
Zuletzt hob Prof. Dr. Radewagen die Bedeutung einer klaren und ethisch fundierten Haltung als Handlungsgrundlage der jeweiligen Fachkraft hervor und appellierte in diesem Zusammenhang an das bewusste Wahrnehmen einer gemeinsamen Verantwortung aller Beteiligten – „damit Kinder eine Zukunft haben!“
Mehr zur inklusiven Kindeswohlmatrix, der Arbeit von Prof. Dr. Radewagen sowie zu den Aufgaben des Kinderschutz-Kompetenzzentrums der Science to business GmbH erfahren Sie unter
www.stb-hsos.de/kompetenzzentren/kinderschutz-kompetenzzentrum/
sowie
www.kinderschutz-radewagen.de