„Über den bisherigen Tellerrand hinaus denken“

München, 05.07.2024 – In der zweiten diesjährigen Veranstaltung in der KJSG-Onlinereihe des LVkE wurden am vergangenen Mittwoch unter dem Titel „Praxisbeispiel Verfahrenslotse. Chancen-Risiken-Grenzen“ die ersten Erfahrungen mit den Verfahrenslotsen aus einem Modellstandort in den Blick genommen.

Mit Inkrafttreten des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes am 10. Juni 2021 führte der Bundesgesetzgeber schrittweise die Zuständigkeit für Leistungen für junge Menschen mit Behinderung unter dem Dach der Kinder- und Jugendhilfe zusammen. Der Umsetzungsprozess soll dabei in drei Schritten erfolgen. Die Einführung des Verfahrenslotsen gem. § 10b SGB VIII stand zum 01. Januar 2024 an.

In Bayern hat man sich im Vorlauf dafür entschieden, Modellprojekte zur Erprobung, vorzeitigen Umsetzung und Erarbeitung landesweiter fachlicher Empfehlungen zu nutzen. Dafür wurden Mittel der CSU-Fraktion bereitgestellt. Der Landkreis Günzburg gehörte zu den insgesamt 10 ausgewählten Modellstandorten.

Antonia Wieland, Gesamtleitung des St. Nikolaus KJF Berufsbildungs- und Jugendhilfezentrums in Dürrlauingen, und Sabine Nölke-Schaufler, Leitung des Kreisjugendamtes Günzburg, gaben im Rahmen der Veranstaltung anschaulich zu ausgewählten Aspekten Einblicke in den aktuellen Stand der Tätigkeiten dieses Modellstandortes. Dabei wurden die Herangehensweise wie auch die Kooperationsarbeit mit verschiedenen zuständigen Stellen vorgestellt und auch Herausforderungen aufgezeigt. So kamen in der anschließenden Diskussion mit den Teilnehmenden auch Fragen zum Kompetenzprofil der Verfahrenslotsen sowie ihrer Unabhängigkeit auf. Auch stellten sich manche die Frage, wie eine verstärkte Umsetzung des inklusiven Weges im Geiste des Gesetzes aussehen kann, insbesondere vor dem Hintergrund zahlreicher Vorbehalte und Unsicherheiten der Beteiligten Parteien.

Mit ihrem praxisnahen Einblick konnten Frau Nölke-Schaufler und Frau Wieland Mut machen, auf Augenhöhe ins Gespräch zu gehen und in aller Offenheit zu diskutieren. Sie betonten dabei nicht nur den Gewinn von Wissen und Verständnis, sondern auch den großen Mehrwert, der sich durch das gegenseitige Kennenlernen und erkunden zweier Systeme bildet, die sich aufeinander zu bewegen. Der rote Faden, der sich durch alle Prozesse ziehe, sei letztendlich die Frage, welche Hilfe bei den jungen Menschen wirklich ankommt.

Moderiert wurde die gut besuchte Online-Veranstaltung von Katharina Maier, Geschäftsführerin und Fachberaterin der agke Augsburg e.V.. Die Chancen, Risiken und Grenzen des Modellprojekts der Verfahrenslotsen wurden schlaglichtartig beleuchtet und deutlich wurde dabei, wie wichtig es ist, innovative Ansätze zu erproben und dabei immer die Bedürfnisse und Rechte der Kinder und Jugendlichen im Blick zu behalten.

Der Pädagoge Johann Heinrich Pestalozzi sagte: „Es ist notwendig, dass der Mensch von klein auf gelehrt wird, für sich selbst zu denken und zu handeln.“ Mit diesen abschließenden Worten und Gedanken unterstrich Petra Rummel, Geschäftsführung des LVkE, die Bedeutung der Arbeit im Bereich Erziehungshilfe. Die Veranstaltung zeigte auf, dass durch Projekte wie die des Verfahrenslotsen junge Menschen unterstützt werden und dazu beigetragen wird, ihre Eigenständigkeit und Selbstverantwortung zu fördern. Dafür setzt sich auch der LVkE in Zukunft weiter ein.

LESETIPP: Evangelischer Erziehungsverband e. V. (EREV), Bundesverband Caritas Kinder- und Jugendhilfe e.V. (BVkE): Wegweiser Verfahrenslots*innen. Empfehlungen für ein Curriculum für die Qualifizierung der Verfahrenslotsinnen und Verfahrenslotsen nach § 10b SGB VIII