Umsetzung des KJSG: Probleme aus doppelter Perspektive in den Blick nehmen!

München, 24.05.2022 – Die Umsetzung des neuen Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes wird Betroffene und Fachwelt die nächsten Jahre intensiv beschäftigen – Grund für den LVkE, im Rahmen einer Online-Reihe dieses zentrale Thema in den Fokus zu rücken.

Und so bietet der Landesverband, angesichts der kommenden Herausforderungen der komplexen Materie, in den nächsten Monaten seinen Mitgliedseinrichtungen, Gremien und Kooperationspartner:innen praxisbezogene Online-Workshops an, in denen Grundlagenwissen vermittelt und konkrete Hilfestellungen angeboten werden sollen.

Am heutigen Tage konnte nun die Auftaktveranstaltung stattfinden, für deren inhaltliche Ausgestaltung niemand Geringeres als Professorin Dr. Karin Böllert gewonnen werden konnte – eine hochkompetente und namhafte Expertin die, wie Moderator Dr. Norbert Beck betonte, den bisherigen Reformprozess nicht nur mitbegleitet, sondern auch mitgestaltet hat.

Gleich zu Anfang des hochinteressanten Workshops wurde sicht- und spürbar, wie sehr der Reformprozess, nach jahrelangem zähen Ringen um inhaltliche Details, inzwischen an Dynamik gewonnen hat: Denn schon kurz nach Verabschiedung des Gesetzeswerks im April letzten Jahres wurde eine Dreistufenlösung in Kraft gesetzt, die bis zum 01.01.2028 die vorrangige Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe für alle Kinder mit Behinderung bewirkt haben soll – angesichts der kommenden Herausforderungen und möglichen Stolpersteine ein notwendiges, jedoch zugleich extrem ambitioniertes Vorhaben!
Joachim Nunner, Mitglied im geschäftsführenden Vorstand des LVkE, äußerte daher in seinem einleitenden Grußwort die Frage, ob die freien Träger mit den politischen Entwicklungen noch Schritt halten können.

Professorin Dr. Böllert, Dozentin an der WWU Münster und Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe (AGJ), bot in ihrem anschließenden Fachvortrag einen umfassenden Überblick über Inhalte und Verfahrenswege zur Umsetzung des KJSG und konnte, als direkt und wesentlich an der Reform beteiligte Sachverständige, hochinteressante und spannende Details aus nächster Nähe einbringen.

Besonders hob sie in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit hervor, beim Zusammenspiel von Kinder- und Jugendhilfe und Behindertenhilfe eine gemeinsame Sprache, eine gemeinsame Verständigung und gemeinsame Ziele zu finden. Ferner stellte die Referentin die Wichtigkeit von funktionalen Lösungen auf kommunaler Ebene dar und forderte, die Adressaten der Hilfen noch besser zu befähigen, im Rahmen von Selbstorganisationen ihre Interessen hörbar und koordiniert zu vertreten – ganz im Sinne der im Gesetzeswerk geforderten Partizipation

Unklar ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch, ob und wie beide Hilfesysteme ineinander aufgehen bzw. inwieweit diese voneinander unterscheidbar bleiben sollen. So betonte Böllert, dass wir noch „meilenweit davon entfernt [sind], beide Leistungssysteme inklusiv zu denken“. Zudem gebe es auf beiden Seiten aktuell noch immense Sorgen und Ängste, die Eigenständigkeit bzw. etablierte Strukturen aufgeben zu müssen.

Professorin Dr. Böllert wies in diesem Zusammenhang auf das aktuelle AGJ-Positionspapier „Inklusion gestalten! Wie inklusive Hilfen zur Erziehung möglich werden können“ hin, welches u.a. einige der genannten Fragestellungen aufgreift und die konkrete Vision eines gelingenden Hilfesystems skizziert.

Petra Rummel, Geschäftsführerin des LVkE, konstatierte in ihrem Schlusswort eine „erneut sehr bereichernde Veranstaltung“ und stellte am Veranstaltungsende noch die Frage an die Referentin, was diese denn, nach all den Jahren, immer noch in ihrem herausragenden Engagement anzutreiben vermag.
Professorin Dr. Böllert erwiderte hierauf ganz klar: „Die jungen Menschen! Es lohnt sich für diese!“  – eine Haltung, die sie mit dem LVkE ganz klar verbindet!