München, 17.04.2024 – Die Reform des SGB VIII beschäftigt die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland schon seit Jahren intensiv. Kooperative regionale Netzwerkarbeit und fachlicher Austausch nehmen dabei immer mehr an Bedeutung zu, um Inklusion auch auf der praktischen Ebene voranzutreiben.
Aus diesem Grund wurde im Rahmen der laufenden Online-Fortbildungsreihe des LVkE zur KJSG-Reform beim ersten Termin des Jahres die „Netzwerkarbeit vor Ort – Praxisorientierte Ideen für die Weiterentwicklung“ in den Fokus genommen. Aus der Praxis berichtete hier Christoph Cramme, Gesamtleiter des Pädagogischen Zentrums Schloss Niedernfels und stellvertretender Sprecher des Jugendhilfe Netzwerkes Süd-Ost-Bayern, in einem hochinteressanten Impulsvortrag. Moderiert wurde die Veranstaltung von Frank Baumgartner, Gesamtleiter des Kinderzentrums St. Vincent in Regensburg und LVkE-Vorstandsmitglied.
Das Jugendhilfenetz Süd-Ost-Bayern ist ein freier, trägerübergreifender und unabhängiger Zusammenschluss aus Einrichtungen der stationären Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe in den Landkreisen Berchtesgadener Land, Traunstein, Altötting und Mühldorf. Das Netzwerk wurde bereits 2003 von Mitarbeiter:innen des Diakonischen Werk Traunstein sowie der damaligen Jugendwohngruppe Schätzel GmbH gegründet. Mittlerweile ist das Netzwerk auf ein buntes Portfolio von 18 Mitgliedseinrichtungen angewachsen, in denen ca. 500 Kinder und Jugendliche von ca. 450 Mitarbeitenden betreut werden. Das Jugendhilfenetzwerk hat sich das hohe Ziel gesetzt, die Kinder-, Jugend- und Behindertenarbeit der Region in ihrer gesamten Vielfalt entsprechend dem SGB zu fördern. Es bietet darüber hinaus Raum zum Informations- und Fachaustausch über die Herausforderungen der stationären Hilfen und soll die regionale Vernetzung zwischen den Mitgliedern, den Diensten der Kinder- und Jugendarbeit, der Verwaltung und der Politik stärken. In der langjährigen Zusammenarbeit, so berichtet Christoph Cramme eindrücklich, haben sich nicht nur gemeinsame Positionen und Standpunkte zu Fragen der Jugend- und Behindertenhilfe entwickelt, sondern wurden auch gemeinsame Vorhaben und Projekte umgesetzt und die Zusammenarbeit mit den Trägern intensiviert. Essentiell sei dabei gewesen, über die Jahre ein offenes und vertrauensvolles Klima zu schaffen, in dem alle Beteiligten des Systems an einen Tisch kommen können. „Das geht natürlich nicht von heute auf morgen“, betont Christoph Cramme und vermittelt dennoch sehr anschaulich den Gewinn der intensiven Netzwerkarbeit: „dadurch, dass unterschiedliche Parteien an einem Tisch sitzen, schaut man automatisch über den Tellerrand hinaus. Der Informations- und Erfahrungsaustausch ist enorm wichtig und hilft, gemeinsame Standpunkte der Behinderten- und Jugendhilfe zu finden.“ Dabei würden durchaus auch immer wieder kontroverse Diskussionen geführt. Der wertschätzende, fachliche Austausch und die vertrauensvolle Kommunikation haben aber auch dazu beigetragen, Positionen mit größerer Schlagkraft vertreten zu können und als Ansprechpartner und Brückenbauer in der Region stärker wahrgenommen zu werden. In unvorhergesehenen Entwicklungen wie der Pandemie konnte ein gemeinsames Vorgehen eruiert und den Herausforderungen gemeinsam begegnet werden.
Nach wie vor offen bleibt die Frage, wie die politische Umsetzung der KJSG-Reform in der Praxis gelingen könnte. Das Praxisbeispiel des Jugendnetzwerks Süd-Ost Bayern führt jedoch bemerkenswert vor Augen, wie alle Beteiligten der Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe von solcher Netzwerkarbeit profitieren können und wie das Netzwerk verständnisfördernd in alle Richtungen wirkt. So trägt der eher regionale, pragmatische Ansatz auf seine Weise überaus positiv dazu bei, den inklusiven Gedanken in allen Arbeitsbereichen nach vorne zu bringen.